
Beim Üben der chinesischen Bewegungskünste Tai Chi Chuan und Qi Gong gibt es immer wieder die Frage nach der Geschwindkeit in der geübt werden sollte.
Wie bei den meisten Fragen gibt es keine allgemeingültige Antwort, da es sich zum einen bei Taij Chi Chuan und Qi Gong um zwei Systeme mit unterschiedlicher Herkunft handelt und zum anderen die bisherige Übungspraxis und die Ziele des Übenden Auswirkungen auf die Geschwindigkeit haben.
Wie ein Fluß und sein Verlauf über Stromschnellen und durch Moorgebiete ändert sich die Fließgeschwindigkeit und es kann auch passieren, dass sich der Fluß teilt. Um in unserem Lernbild zu bleiben: der Praktizierende hört auf zu lernen und der Fluß versandet.
Um durch Moorlandschaften oder an Verzweigungen den weiteren Flußverlauf zu folgen, braucht es einen Lotsen, der den Weg, die Untiefen und Besonderheiten des Verlaufes kennt. Für gewöhnlich durch eigene Erfahrung.
Die Quelle des Übens für Tai Chi und Qi Gong

Was ist nun der Ursprung für das Üben von Tai Chi Chuan oder Qi Gong?
Beim Vergleich ist es einfach: Die Quelle ist der Ursprung des Flusses. Was ist das Ziel des Flusses? Das Meer? Der See? Also die große Weite?
Der Vergleich paßt nur für das Fliessen. Und wie ein Weg ist das Fliessen manchmal beschwerlich. Der Weg der auf einen Platz oder ein Plateau führt und es ist nicht klar, wo und ob es weiter geht.
So ist es auch mit dem Üben.
Es gibt Phasen, da ist das Üben recht einfach, da die Bewegungen und Abläufe alle neu sind und scheinbar schnelle Erfolg erreicht werden.
Gerade beim Qi Gong beobachte ich bei Anfängern diesen (bekannten) Verlauf des "Schnell-etwas-erreichen". Und dabei ist es nur der erste Schritt.
Beim Qi Gong hatte ich vor kurzem einen Interessenten, der fragte: "Wie lange dauert es, bis ich die gesamte Choreografie lerne?" Meine Antwort: "Das geht schnell. in 1 bis 2 Jahren kann das möglich sein." Seine Reaktion: "Das dauert mir zu lange, so viel Zeit habe ich nicht."
Hier ist mir die Quelle / Wunsch des Übens nicht klar, wenn es nur darum geht einen Bewegungsablauf einzustudieren und kopieren zu können.
Die äußeren Bewegungen sind der Anfang. Das Flußbett (Die Bewegungen) verändern sich durch das dauerhafte Üben. Neue Erfahrungen und Erkenntnisse entstehen auf der Reise.
Es ist aber erforderlich zu üben, da die Bewegung die Erkenntnisse in Gang setzt.
Erfahrung als Taktgeber

Glücklicherweise ist jeder Mensch anders und hat einen anderen Zugang und auch Erkenntisverlauf.
Der eine steht mit einem Ast auf dem Kopf und übt sich noch in seiner Zentrierung und dass der Ast auf dem Kopf bleibt (Dame links).
Der andere ist schon erfahrener oder hat eine natürliche Zentrierung und kann sich mit dem Ast auf dem Kopf bewegen (Die Dame in der Mitte).
Und andere starten erst, suchen noch eine Art sich hinzustellen und zu beginnen (Die Dame rechts). Diese Übungsart habe ich 2024 in China beobachten dürfen, als ich von meinem Training kam.
Jeder Mensch hat andere Startbedingungen und die Übungsgeschwindigkeit ist stark unterschiedlich. Bei Qi Gong und Tai Chi Chuan habe ich erlebt, dass es am Anfang für uns westlichen Menschen einfacher ist, die Bewegungen schneller auszuführen.
So verarbeiten wir die ersten Hindernisse und haben ein Erfolgserlebnis.
Die 24 Bilder Tai Chi Form basiert mit seinem Konzept "Vom einfachen zum schweren" auf diesem Übungskonzept.
Der Lohn des Übens

Nach den ersten Bewegungen und Nachahmungserfolgen folgt im Westen sehr schnell der Wunsch die Praxis mit Theorie zu verbessern.
In den Bewegungskünsten Tai Chi Chuan und Qi Gong gilt allerdings der Satz "Übung macht den Meister" denn ich abgewandelt als "Übung führt zu Erkenntnis" benutze.
Ich kann sehr viel über den Geschmack von Jasmintee lesen und wie er zubereitet werden sollte, doch damit erfahre ich nicht den Geschmack. Ich muss es tun. Den Tee zubereiten und durch Übung die Variationen erfahren und erkennen. Da ist es schön theoretisches Beiwerk zu bekommen, doch an der Praxis führt kein Weg vorbei, wenn ich ein verbessertes Ergebnis erzielen möchte.
Das Tor öffnen

In einer Zeit von künstlicher Intelligenz und millardenfachen Experten in den sozialen Medien, freut es mich, dass es im Qi Gong und Tai Chi Chuan keine Alternative zum Üben gibt.
Es gibt neuerdings Alternativen, wie geübt werden kann und der Wegweiser (Lehrer) mit dem Übenden interagiert.
Meine Online-Schüler haben mir bewiesen, dass es neue Wege der Wissenvermittlung gibt, aber auch hier sind die Erfolge mit dem eigenen Praktzieren und Üben verbunden.
Wer nicht praktiziert und sich nur mit Theorie beschäftigt, wird nicht den Nutzen erfahren, den Tai Chi Chuan und Qi Gong für jeden einzelnen Menschen mit sich bringen.
Die Tür ist geschlossen und wird nur durch Bewegung geöffnet.
Tür anfassen und aufschieben. Anschreien oder sich über den theoretischen Aufbau und die Technik einer Tür informieren bewegt die Tür nicht.
Die erste Bewegung ist der Beginn der Reise.
Jan
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