Im Buch "Wilde Schwäne" erlebt der Leser eine beeindruckende biografische Reise beginnend 1909 mit der Großmutter der Autorin Jung Chang bis zwei Jahre nach dem Tod Maos 1978.
Wer vorab "Die Seele Chinas" von Richard Wilhelm gelesen hat (siehe hierzu auch meinen Blogeintrag), erhält mit dieser Biografie den nächsten persönlich gefärbten Eindruck, wie sich China weiter verändert hat.
Während bei Richard Wilhelm die Entwicklung vom kaiserlichen China über den Boxeraufstand zum Verfall des Kaiserreichs im Mittelpunkt steht, beginnt Jung Chang mit ihrer Großmutter, die noch mit gebundenen Füssen aufgewachsen ist und die Konkubine eines Warlords wurde.
Chinesische Sprichwörter, wie "Auch klares kaltes Wasser schmeckt süß" werden durch die Erfahrungen der Großmutter lebendig.
Der zweite Weltkrieg mit den japanischen Einflüssen wird aus der Sicht der Großmutter dargestellt. Die Herrschaft der Kuomintang in China und der Bürgerkrieg zwischen den Kuomintang und der kommunistischen Partei wird durch die Großmutter und der Mutter der Autorin persönlich.
Trotz aller Veränderungen in der chinesischen Gesellschaft schimmert immer wieder die chinesische Vergangenheit und die Prägungen der konfuzischen Erziehung durch.
Die Mutter der Autorin wird durch die persönlichen Entwicklungen zur überzeugten Kommunistin. Der Vater der Autorin ist ein späterer hoher Parteifunktionär und so lernt der Leser das Leben in den frühen Jahren des chinesischen Kommunismus aus der Sicht einer Funktionärsfamilie kennen.
Der Bruch mit den altem überlieferten Lebensweisen und Lebensart wird persönlich dargestellt. Und gleichzeitig schimmert immer wieder durch, warum sich Dinge dann doch nicht so einfach ändern lassen.
Maos Kulturrevolution bekommt ein lebendiges Gesicht durch das Erleben der Autorin und ihrer Geschwister.
Das Buch habe ich in einem durchgelesen, da die Lebensabschnitte faszinierend und spannend geschrieben sind. Und da es sich um eine Biografie handelt, verläuft einiges leider nicht so, wie man es in einem fiktiven Roman erwartet.
Das Leben hat dann doch immer wieder Überraschungen parat.
Der geschichtliche Kontext wird in einer Tabelle mit den familiären Vorkommnissen in Verbindung gebracht. Der Leser weiss zwar, dass die Japaner den Krieg verlieren, die Kommunisten China regieren werden und Mao das Land formen wird, aber aus der Sicht einer Familie, wird es dann persönlich und (für mich) verständlich.
Die Lektüre dieses Buches hat mir geholfen einige Verhaltensmuster von älteren Chinesen bei meinen Reisen im Nachherein besser nachvollziehen zu können. Einiges macht jetzt plötzlich Sinn (und bleibt doch unverständlich).
Jan Leminsky
Das Buch:
Autorin : Jung Chan
Titel: Wilde Schwäne
1991 erschienen
Im Buchhandel zu beziehen
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