Mark S., steht ständig unter Strom. Der 35-jährige Steuerberater, seit zwei Jahren selbstständig, schläft schlecht, mag nichts essen, hat ständig einen Kloß im Hals. Um zur Ruhe zu kommen und Stress abzubauen, beginnt er mit Tai Chi Chuan, einer uralten Heil- und Kampfkunst aus China, abgekürzt Tai Chi.
"Er war Burn-out-gefährdet, als er zu mir in den Unterricht kam", sagt Jan Leminsky, Tai-Chi-Lehrer, Ausbilder und Inhaber einer Tai-Chi-Schule in Hamburg. Anfangs fällt es Mark S. schwer, Trainingstermine in seinen Kalender einzuplanen. Er merkt aber, dass die fließenden Bewegungen ihm gut tun, und bleibt dabei. "Tai Chi ersetzt keinen Arzt", sagt Jan Lemisnky, "aber gerade wenn eine Erkrankung noch nicht voll ausgebrochen ist, kann man etwas bewirken."
Tai Chi wird nach festgelegten Choreographien geübt
Die Wurzeln des chinesischen "Schattenboxens", wie die Kampfkunst bei uns auch genannt wird, reichen bis ins vierte vorchristliche Jahrhundert in China zurück. Die damals praktizierten "lebensfördernden Techniken" ähnelten bereits den Übungen des Tai Chi Chuan, das im Kaiserreich China entwickelt wurde. Tai Chi Chuan heißt: Die höchste Kunst der Faust.
Das Zentrum der Übungen sind sogenannte Formen, festgelegte Choreographien meist fließend ineinander übergehender Bewegungen. Sie stellen den Kampf mit einem imaginären Gegner dar. Die Einzelbewegungen sind "Bilder", deren oft poetische Namen den Charakter der Bewegung zeigen wie "die Mähne des Wildpferds teilen" oder "der weiße Kranich breitet seine Flügel aus".
Viele der Formen werden nach der Anzahl ihrer Bilder benannt, wie etwa die 24-er oder auch Peking-Form. "Man kann sie in einem Jahr lernen", erklärt Jan Leminsky, sie dauert fünf Minuten." Um die gesundheitliche Wirkung zu erhöhen, durchläuft man die Form dreimal hintereinander, nachdem man zuvor fünfzehn Minuten lang eine spezielle Ruhepose eingenommen hat. Übungszeit insgesamt: eine halbe Stunde. "Das sind Zeithorizonte, die für uns realistisch sind", betont Jan Leminsky. Zum Vergleich: Die längsten traditionellen Formen haben mehr als 100 Bilder.
Bewegung soll die Energie im Körper fließen lassen
Doch was macht Tai Chi so gesund? "Die Bewegungen, die in der Traditionellen Chinesischen Medizin einen wichtigen Platz einnehmen, wirken auf Körper, Geist und Qi", erläutert Jan Leminsky, der seit mehr als fünfzehn Jahren die Kampfkunst praktiziert. Qi oder Chi heißt so viel wie Energie. Die Chinesen gehen davon aus, dass alle Lebewesen von der Urkraft, dem Qi, durchzogen werden. Sinn und Zweck von Tai Chi, das Atem-, Meditations- und Bewegungsübungen beinhaltet, ist es, den Fluss der Lebensenergie Qi im Körper zu harmonisieren.