Yang Stil-Bagua Taijiquan
ein "Juwel" des chinesischen Taijiquan auf dem Weg nach Deutschland
Die Legende erzählt, der große Taijiquan-Meister Yang Lu Chan wurde von dem Bagua Zhang Meister Dong Hai Quan eines Tages zum Kampf herausgefordert. Doch beide hätten sich nur kurz in Kampfposen gegenübergestanden, ihre ungeheuere Kraft schien sogar von ihrer Bewegungslosigkeit auszugehen: „ …als würde der Wind nur kurz den Bambus streifen.“ Beide verneigten sich daraufhin tief voreinander und es heißt, dass sie seitdem ihre Erfahrungen in den Künsten "brüderlich" miteinander teilten. Eine andere Legende berichtet sogar von einem 3-Tage-währenden Kampf der im Unentschieden und in der Verbrüderung der beiden ausging...
Soweit die Legenden: Historisch überliefert ist dabei die Tatsache, dass einige Schüler der beiden Meister untereinander ausgetauscht wurden und oftmals von beiden Formen der kampfkunst lernen konnten. Ein solcher muss wohl auch Meister Wu Junshan gewesen sein, nach der mündlichen Tradierung lernte er als junger Schüler sowohl im Bagua Zhang bei Dong Hai Quan, als auch im Yang Stil-Taijiquan bei Yang Lu Chan. Meister Wu Junshan überlieferte später eine Yang Stil-Form, die Yang Lu Chan in seinen späteren Lehrjahren gemeinsam mit Dong Hai Quan entwickelte und die in einzigartiger Weise die „Essenz“ der drei großen „inneren Künste“ Taijiquan, Bagua Zhang und Xingyiquan vereinte. Wu Junshan gab diese Form vollständig nur an einen Schüler weiter, dem legendären Kampfkunst-Meister General Zhang Xiang Wu.
Diese alte Yang Stil-Bagua Taijiquan Form besteht aus mehr als 100 Bewegungen, die einige heute mit 103, 123 oder 148 Bewegungen zählen. Meister Zhang Xiang Wu (1873 – 1959) überlieferte diese Form mit 103 Bewegungen und nannte sein Taijiquan: „Alte Form 103er Yang Stil-Taijiquan.“ Die Bewegungen der 103er Form sind einzigartig im Taijiquan, sehr komplex und anspruchsvoll. Sehr tiefe Positionen wechseln mit hohen Positionen (altes Taijiquan), bei denen man z.T. nur auf dem Fußballen steht, ebenso sind Positionen auf nur einem Bein, mit einem „streifenden“ Fuß über dem Boden sehr typisch (Bagua), wie auch vollständige Drehungen um die eigene Achse (Bagua), genauso wie geradlinige fast stechende Bewegungen nach vorne und oben (Bagua, Xingyi). In der Form werden oft Richtungswechsel durchgeführt, ebenso werden einige Positionen „zur anderen Seite“ (spiegelverkehrt) geübt.
Das Tempo ist zwar grundlegend in einem sehr ruhigen meditativen Rhythmus angelegt, kann aber auch schnelle und „explosive“ Bewegungen beinhalten. Insgesamt ist der Formablauf aber sehr „lebendig“, ständig fließend, sich wandelnd, rund, intensiv und sehr energetisch. Ein vollständiger Formablauf kann je nach Übungsniveau 1-1,5 Stunden dauern, man kommt leicht ins Schwitzen und fühlt wie Blut und „Qi“ zirkulieren, Hand-und Fußsohlen werden warm, man fühlt sich entspannt & energetisiert. In traditionellen Taijiquan- und Kampfkunstkreisen wurde die 103er Form in der Vergangenheit nur einem sehr engen ausgewählten „inneren Schülerkreis“ (tudi´s) weitergegeben.
Meister Li Suiyin aus Xian, ist der jüngste noch lebende Meisterschüler von Zhang Xiang Wu. Er wurde mit 8 Jahren sein Schüler und lernte bei ihm das Yang Stil Bagua-Taijiquan, sowie auch Xingyiquan, Bagua Zhang, Bajiquan & Kun Wu-Schwert. So wurde er durch seinen Lehrer und seiner mittlerweile 60jährigen Praxis zu einem profunden Kenner seltener und originaler nordchinesischer Kampfkünste, aber auch der Heiltechniken des Qi Gong und der daoistischen und buddhistischen Meditation.
Meister Li Suiyin ist heute laut dem chinesischen Taijiquan Fach-Buch „Yang Shi Taijiquan San Pu Hui Zhen“ (Umfassendes Kompetendium zum Yang Stil-Taijiquan in 3 Bänden) von Lu Di Min (2008) der einzige noch lebende Vertreter dieser Yang Stil-Form und der Linie von Wu Junshan. Erst in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts entschloss er sich diese Form öffentlich zu unterrichten, um somit eine wahre Kostbarkeit des Taijiquan nicht verloren gehen zu lassen und einem breiteren Interessentenkreis zugänglich zu machen.